Richtiger oder falscher Weg?

Doppelt genormt? Zur Schreibung „DIN-Norm 5008“

Vor einiger Zeit wurde ich darauf hingewiesen, dass in diesem Blog öfter „DIN-Norm 5008“ zu lesen sei. Warum auch nicht, denkst Du vielleicht. Vielleicht fandest Du sofort: „Ja klar, das ist doppelt gemoppelt.“

Dieser Meinung war mein Hinweisgeber. Hat er recht? Ich habe mir Gedanken dazu gemacht und finde: Die Frage ist auf den zweiten Blick wieder mal schwieriger zu beantworten als auf den ersten.

Doppelmoppels: nicht immer leicht zu erkennen

Schauen wir uns kurz an, worum es überhaupt geht. Das N in DIN steht für ‚Norm‘ (DIN = ‚Deutsche Industrie-Norm‘), und nun ist klar, warum der aufmerksame Leser mir die Mail geschrieben hat: Genaugenommen müsste man DIN-Norm als ‚Deutsche Industrie-Norm-Norm‚ lesen. Ziemlicher Quark also, ähnlich solchen Fällen wie aufoktroyieren (oktroyieren heißt bereits ‚aufzwingen‘).

Lektorenaugen zucken nervös, wenn Kunden mit „Ich hab das aber gegoogelt.“ aufwarten, denn die suchmaschinenermittelte Mehrheitsmeinung über korrekte Schreibungen ist alles andere als zuverlässig. Schreibungen zu googlen kann jedoch hilfreich sein, um Trends zu erkennen und sich Fragen zu stellen. Die beiden Fragen, die mich angetrieben haben, lauten: Wird DIN-Norm von versierten Schreibern verwendet? Und: Könnte die Schreibung vielleicht sogar vertretbar bis korrekt sein?

Die erste Frage lässt sich schnell mit ja beantworten. Nicht nur Wikipedia verwendet den Begriff „DIN-Norm 5008“, sondern etwa auch die Seite Bildungsnews. Auf der Seite des Beuth-Verlags, der die Norm-Heftchen publiziert, findet sich die Variante die Norm DIN 5008, was nach den obengenannten Kriterien genauso redundant wäre DIN-Norm 5008.

Doch nicht falsch? Zwei Überlegungen

Also: Warum machen die das alle? Und warum schließe ich mich an; sollte ich mich nicht dagegenstemmen? Jein. Gehen wir also Frage Nummer zwei nach.

Gebrauchstexte im Web: klar und griffig

Ich murre gerne über die vielzitierte extrem kurze Aufmerksamkeitsspanne des gemeinen Weblesers. Man muss auch nicht jeden Unsinn mitmachen, sonst morsen wir irgendwann nur noch.

Dennoch sollten Gebrauchstexte, etwa Verkaufstexte, so kurz, klar und deutlich formuliert sein wie möglich. Ja, ich möchte jedem Leser unterstellen, dass er auf Anhieb weiß, was DIN heißt. Aber sicherer ist es, auch diejenigen abzuholen, die das nicht gleich parat haben. Genau das tut man mit DIN-Norm, man bietet dem scannenden Auge etwas Griffiges.

Das kann man nun als praktisch gedacht oder als Mogelei werten. Aber ich habe noch eine zweite Überlegung für Dich, und die macht aus einem scheinbar eindeutigen einen sehr diskutierbaren Fall.

Inkorrekt oder korrekt: eine Frageprobe

Stell Dir vor, Melanie erklärt Tanja, welche Regeln unsere Norm abhandelt. Nach einiger Zeit weiß Tanja nicht mehr genau, über welche Norm ihre Kollegin spricht, und fragt nach. Melanie antwortet: „Die 5008“.

Wie klingt das für Dich? Ich zumindest habe noch nie gehört, dass in einer vergleichbaren Situation jemand einfach nur „die 5008“ gesagt hat. Ziehen wir zur Sicherheit noch die weitaus bekanntere DIN-A4 hinzu. Das Beispiel:

Welche Norm? Die A4 oder die A5?

Ich assoziiere damit eher Autobahnen als Normen.

Auch könnte ich formulieren: die Norm DIN-A4. Oder spezifizieren: Die DIN-A4 ist eine vielverwendete Norm. Der Duden spricht etwa vom genormten Format DIN-A4 und nicht nur A4. Teste solche Fälle bei entsprechender Motivation gerne in Deinem Sprachalltag.

Statistische Relevanz kann ich in dieser Reflexion nicht vorweisen, aber ich habe mich im näheren Umfeld durchgefragt und wurde in meinem Empfinden bestätigt. Deines mag diese Überlegungen ebenfalls stützen oder von ihnen abweichen. Falls Du mir zustimmst, dass man Norm oft mit DIN gemeinsam erwähnt und dies auch Sinn ergibt, dann erlaubt das die Vermutung eines zusammengehörigen Begriffs, der in bestimmten Kontexten nur im Doppelpack verwendbar ist.

Ist das Ausgangsargument, dass Norm-Norm zu vermeiden sei, nun hinfällig? Nein, ist es nicht. Im Reader beispielsweise verwende ich die Dopplung DIN-Norm nie, dort bestand auch keine Notwendigkeit, weil Raum genug für begleitende Erklärungen war.

Fazit

Ich bin meinem mailenden Kollegen für den Hinweis dankbar, weil man sich immer fragen muss, ob das, was man formuliert hat, frei von Redundanzen und sinnvoll ist – und selten erkennt man alle Problemzonen in seinen Texten.

Was ich Dir – wieder mal – zeigen wollte, ist: Zur Beschäftigung mit Sprache gehört oft, dass sich „Sicherheiten“ als Zweifelsfälle entpuppen. Das gehört nicht zu ihren Schwächen, sondern macht sie schön und spannend.